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Ein besonderer Tag im Wald! 


Meeting with our colleagues in the Department of Chemistry, University of Dar es Salaam.
Left to right: Koichi Koshimizu, Cosam Joseph, Huffman, Mayunga H.H. Nkunya, Hajime Ohigashi, Hideo Hayashi
(October 1999).


21. November, 1987, 4.50 Uhr morgens. Die schallenden pant hoots eines einsamen Schimpansen durchbrechen die Stille des neu anbrechenden Tages und schrecken mich aus erholsamen Schlaf. Es ist noch Nacht in Mahale, aber am Horizont des Indischen Ozeans, 1000 Kilometer weit im Osten vor der tansanischen Küste dürfte gerade die Sonne aufgehen. Abgeschirmt von den Mahalebergen müssen wir in unserem Camp noch mehr als eine Stunden auf die wärmenden Strahlen der Sonne warten. 

Für die nächsten zwei Stunden ruft das einsame Männchen immer wieder in der Hoffnung auf eine Antwort von seinen verstreuten Kumpanen. Ich bin genauso ungeduldig wie er und genauso interessiert die anderen zu finden. Für Mahale ist es während der Regenzeit typisch, daß sich die Schimpansengemeinschaft auf der Suche nach dem kargen Nahrungsangebot in kleinere Gruppen aufsplittert. Schon jetzt, zu Beginn der Regenzeit, sind die Mitglieder der M-Gruppe, nicht immer ganz leicht zu finden. 

Gegen 6.50 passiert das Männchen lautlos unser Camp auf seinem Weg nach Norden. Inzwischen ist genügend Licht, um zu etwas zu sehen, und ich erkenne Ntologi, der seit 1979 das Alpha-Männchen der Gruppe ist. Er kommt von einem Besuch bei seiner alten und schwächer werdenden Mutter Wanaguma, einige Kilometer weiter südlich. 
Gegen 7.50 kommt mein Freund und Wissenschaftsassistent Mohamedi Seifu Kalunde, von Kasiha. Wir vergeuden keine Zeit und steuern nördlich in die selbe Richtung wie Ntologi. Die nächste Stunde brauchen wir um die steilen Hänge eines Berges hinauf zu einem Aussichtspunkt auf den Höhenkamm zu klettern, von wo aus wir wahrscheinlich die Schimpansen hören können, falls sie sich im Mpila Tal aufhalten.

Um 9 .36 Uhr, während unserer Überquerung der bewaldeten G-ridge, hören wir von neuem die gewohnte Serie pant-hoots eines einzelnen Männchens. Unmittelbar nachdem seine Rufe verstummt sind, bekommt er auf seine pant-hoots Antwort von einer kleinen Gruppe weiter flußaufwärts, gefolgt von den Rufen wieder einer anderen Gruppe noch weiter entfernt oben auf dem Berg. Aus den Rufen schließen wir, daß die Schimpansen sich in kleine Gruppen aufgesplittert haben und auf der Suche nach Früchten den Wald durchkämmen. 

So jäh wie sie ihre Anwesenheit bekanntgegeben haben, so schnell sind die Rufe auch wieder von der Stille dieses dicken grünen Waldteppichs verschluckt. Schimpansen allein aufgrund ihrer Rufe zu lokalisieren kann schwierig sein. Das Geplapper der Roten Stummelaffen Affen, das Bellen der Gelben Paviane oder dem zwitschernden Ruf des Turako, kann man aus der Entfernung manchmal mit den Rufen der Schimpansen verwechseln. Die steilen Täler, Wind und die Wellen, die sich am Seeufer brechen, haben die Eigenschaft Töne zu verzerren. 

Zwischen 9.50 Uhr und 12.41 treffen wir auf mehrere Individuen und beginnen ihr Verhalten zu notieren; wer sich in der Gruppe befindet, was sie fressen, welche Weibchen in Östrus sind und so weiter. Diese Basisdaten werden in täglicher Routine seit 1965 gesammelt, als Dr. Suzuki und seine Kollegen mit der Forschung in Mahale begannen. 

Moshi Bunengwa, einer unserer Wissenschaftsassistenten, kommt mit der Nachricht, daß er Ntologi gesehen hat, der jetzt mit zwei jungen Männchen, Nsaba und Hito gemeinsam weiterzieht. Wie wir, hat auch Ntologi inzwischen erfolgreich mit Mitgliedern seiner Gruppe Kontakt gefunden. 

Allein oder in kleinen Gruppen sitzen die Schimpansen ruhig in den Baumkronen oder hängen einhändig an Zweigen und rupfen die mit einer roten Wachsschicht bedeckten Samen von Lulumasia, einer Verwandten der Muskatnuß. Nur die Geräusche, der herunterfallenden Schalen, die mit einem dumpfen Schlag auf den Boden auftreffen, haben uns auf diese kleine Gruppe von Schimpansen aufmerksam gemacht. Schimpansen auf dem Boden sind noch schwerer zu entdecken, aber wir hören wie sie einige Stengel von Ingwer oder Elefantengras abbrechen. 

Den ganzen Morgen schließen sich Individuen der Gruppe an oder trennen sich von ihr. Um 12.41 hören Mohamedi und ich eine Runde von pant-grunt Begrüßungen und Schreien in der Ferne.

 


A small party of females and offspring of the M-group
Photo by Angelika Hofer

Wir kürzen den Weg ab, und treffen auf eine Gruppe, die den Mpila Fluß entlang flußabwärts zieht. Wir zählen 11 Schimpansen; zwei erwachsene Männchen, Lukaja und Kasangzi, das junge Männchen Jilba, drei erwachsene Weibchen Chausiku, Wantendele und Wakilufya mit ihren Kindern Chopin, Masudi, Maggy und Ashula. Die drei Weibchen, alle eingewandert von der inzwischen aufgelösten K-Gruppe, ziehen oft gemeinsam umher, wenn sie nicht Östrus sind. Sie haben ihre Freundschaft beibehalten und helfen einander, auf ihre Jungen in der M-Gruppe aufzupassen. Sie haben zweifelsohne untereinander Solidarität gefunden in einer Gesellschaft, in der Neuankömmlinge von im Rang höher stehenden Weibchen im Wettbewerb um wertvolle Nahrungsquellen und Partner ständig belästigt werden. 

Wantendele, Wakilufiya und das erwachsene Männchen Lukaja sind drei meiner Untersuchungstiere für diese Beobachtungssaison. Mohamedi und ich beginnen nun endlich mit unserer richtigen Tagesarbeit. Wir folgen Lukaja, dem Anführer dieser Gruppe, als er behende den Flußbett-Hindernis-Lauf über die großen glitschigen Felsen im Mpila-Fluß beginnt. 

Der Rest der Schimpansen folgt ihm dicht auf. Lukaja und seine beiden männlichen Begleiter verlieren wir schon nach einer Viertelstunde aus den Augen. 
Wir bleiben bei den Weibchen, die schnell in den Wald hinein wandern, dann pausieren, um auf die Rufe einer großen Gruppe oben auf dem Kamm zu hören. Sie entschließen sich nicht zu folgen, beginnen vielmehr im gemütlichem Tempo im kühlen Schatten der Bäume auf der Suche nach etwas Freßbarem weiterzuziehen. 
Mit scharfem Blick, entdeckt Wantendele eine Traube gelber reifer Ilombo Früchte hoch oben in den Baumkronen. Flink klettert sie mit Maggy, die sich an ihren Rücken klammert hinauf. Masudi balgt sich weiter mit Ashula und Chopin auf dem Boden. Chausiku klettert nur ein kurzes Stück hinauf und rastet. Bei genauerem Hinsehen scheint es so, als ob Chausiku sich nicht ganz wohl fühlt. 

Sie baut sich ein Tages Bett, indem sie Zweige in der Astgabel eines massiven Astes zu einer stabilen Plattform zusammenbiegt. Masudi und Maggy ziehen Chopin am Fuß bei dem Versuch ihn zum Spielen aufzufordern. In solchen Höhen kann ein kleines Affenkind leicht herunterfallen und sich verletzen. Deshalb sind die Mütter für gewöhnlich in der Nähe, um ihre Kinder in Gefahrensituationen an sich zu nehmen und ältere Spielgefährten in ihre Schranken zu weisen, aber heute paßt Chausiku nicht auf.
Gegen 13.20 Uhr sind von unserer Anfangsgruppe nur noch die zwei erwachsenen Weibchen Wantendele und Chausiku und ihre drei Kinder übrig. Um 13.22 zieht Wantendele mit Maggy und Masudi südwärts, um nach Feigen und mehr Ilombo zu suchen. Mohamedi und ich beschließen, ihnen zu folgen. Doch dann kehrt Wantendele um und läuft zurück bis an den Fuß des Baumes, wo wir Chausiku vor einer halben Stunde zurückgelassen haben. So als ob sie erwarten würde, daß Chausiku immer noch dort ist. Tatsächlich hat sie sich nicht von der Stelle gerührt. Chopin spielt allein etwas über ihr in den Ästen. 

Um 14.02 Uhr klettert Chausiku hinunter zu der geduldig wartenden Wantendele. Jetzt wandern alle in südlicher Richtung. Chausikus Vorwärtskommen ist erbärmlich langsam, da sie oft innehält und ausruht. Die anderen ziehen zwar weiter, nur gelegentlich innehaltend, um das Mark von Ingwerstengeln und Elefantengras zu fressen. Aber sie bleiben immer in Sichtkontakt mit Chausiku. 

Um 14.13 Uhr geht Chausiku direkt auf einen etwa zwei Meter hohen Busch zu, setzt sich davor hin und zieht sich mehrere junge Zweige, jeder etwa 2,5 cm dick, zu sich heran. Sie bricht sie ab, legt sie in ihren Schoß und entfernt die Rinde und Blätter vom ersten Zweig bis das saftige Mark freiliegt. Dann beißt sie 5-7 cm große Stücke ab, und kaut auf jedem mehrere Sekunden lang herum. Dann schluckt sie mit einem auffälligen saugenden Geräusch den Saft hinunter und spuckt das verbleibende faserige Material wieder aus. Mit kleinen Pausen dauert es etwa 17 Minuten, bis das Mark aller Zeige in der gleichen Weise verspeist ist. 

Ich kenne diese Pflanze nicht und frage Mohamedi wie diese Pflanze in seiner Sprache, dem Kitongwe heißt. Er antwortet, Mjonso. Mohamedi arbeitet am Kyoto-University-Schimpansen-Projekt seit seinen Anfängen in den frühen sechziger Jahren mit und ist sowohl von Wissenschaftlern wie auch seinen Watongwe Stammeskollegen wegen seines umfangreichen Wissens um Flora und Fauna in diesem Gebiet sehr angesehen. 

 


Adult males Jiluba chewing on the pith of 'mjonso'
Vernonia amygdalina while heavily infected
with the strongyle nematode
Oesophogostomum stephanostomum.
photo by M.A. Huffman
    
The flowers of Vernonia amygdalina.
photo by M.A. Huffman


Während Chausiku ihr Mjonso Mark kaut, sitzt Wantendele in der Nähe und frißt Ingwer, zeigt aber kein Interesse an dieser Pflanze. Der kleine Chopin scheint dagegen sehr wohl interessiert und bettelt um ein Stück Mark, das seiner Mutter aus dem Mund hängt. Schließlich hebt er ein Stück auf, das zu Boden gefallen ist. 
Nachdem er dieses nur für Sekundenbruchteile in den Mund genommen hat, spuckt er es sofort wieder aus und kaut statt dessen lieber zusammen mit Wantendele auf einem Stück Ingwer-Mark. 

Ich habe noch nie einen Schimpansen dabei beobachtet, wie er diese Pflanze ißt. Ich frage Mohamedi, ob Schimpansen sie oft verspeisen und füge noch hinzu, daß ich in den 10 Monaten, die ich sie hier nun beobachte, noch nie gesehen habe, daß sie an diese Pflanze irgendein Interesse zeigen. Er nickt und antwortet, diese Pflanze werde tatsächlich nicht oft gefressen. Er fügt noch hinzu, daß Schimpansen der K Gruppe ebenfalls das Mark gefressen haben, aber nie in großen Mengen, da sie sehr sehr bitter schmeckt. Just aus Interesse in die Gewohnheiten und Traditionen der Watongwe frage ich ihn als nächstes, ob sein Stamm für diese Pflanze irgendeine Verwendung hat. Er lächelt und sagt: Ja es ist eine sehr starke Dawa (Medizin).“ „Was für eine Art Dawa?“, frage ich erstaunt. Er antwortet, daß sie vor allem bei Fieber, Magenschmerzen und Eingeweideparasiten angewendet wird. 

Mohamedi wurde von seiner Mutter und seinem Großvater Kalunde, einem traditionellen Heiler, im Gebrauch und der Anwendung der lokalen Pflanzen als Heilpflanzen unterrichtet. Mohamedi erzählt mir, daß ihn sein Großvater Kalunde, als er noch ein kleiner Junge war, Geschichten erzählte, wie er neue Medizin für die Menschen entdeckte indem er das Verhalten kranker Tiere beobachtete. Eine solche Geschichten erzählt von einem jungen Stachelschwein, das Kalunde in seine Obhut genommen hatte, nachdem seine Mutter von einer Schlange getötet und gefressen worden war. Kurz danach wurde das junge Stachelschwein krank, hatte Durchfall und wurde teilnahmslos. Es wanderte vom Dorf hinaus in den Wald und Kalunde folgte ihm. Das Stachelschwein grub nach der Wurzel einer Pflanze, die die WaTongwe „Mulengelele“ nennen, und fraß sie. Als er bemerkte, daß sich das Baby Stachelschwein daraufhin von seiner Krankheit erholte, beschloß Kalunde einige dieser Wurzeln zu sammeln, und damit in seinem Dorf Leute, die krank waren, zu behandeln. 

Nach Mohamedis Beschreibung der Eigenschaften dieser Pflanze scheinen die Wurzeln extrem giftig zu sein. Doch jetzt ist Mulengelele eine der Pflanzen der Wahl, mit der die traditionell lebenden WaTongwe Darmparasiten bekämpfen. 

So weit mir bekannt, ist der Gebrauch von Medizinalpflanzen bei Stachelschweinen noch nie beschrieben worden. Solche Geschichten könnten ja auch nur eine interessante Art und Weise sein, um wichtige Informationen über den Gebrauch von Medizinalpflanzen von einer Generation zur anderen weiterzugeben. Die Tatsache jedoch, daß wir einiges von den Tieren über die Heileigenschaften von Pflanzen lernen können, darf nicht vergessen werden.

Die pflanzliche Produktion von Toxinen, Drogen und anderen Bestandteilen, von Chemikern sekundäre Metaboliten oder Stoffwechselprodukte genannt, werde heute gemeinhin als eine evolutionäre Anpassung betrachtet, die den Pflanzen hilft, sich vor dem Gefressenwerden durch Insekten und Pflanzenfresser zu schützen. Solche Bestandteile haben daher einen großen Einfluß auf die Futterpflanzen Wahl von Tieren. Und Ökologen haben einen Großteil ihrer Forschung darauf ausgerichtet, wie Tiere mit der Anwesenheit solcher Stoffe in ihrem Nahrungsangebot umgehen. 

Mir bleibt der Mund offen stehen, als mir die Details der letzten eineinhalb Stunden Beobachtung von Chausiku durch den Kopf schießen. Ich bin besessen davon, herauszufinden, was am Ende von Chausikus Verhalten herauskommt und merke wie sich mein Adrenalinspiegel erhöht. Wortlos sind wir uns einig, daß wir Chausiku weiter folgen und sie genau beobachten. Mit fortschreitender Zeit wird die Ernsthaftigkeit ihrer Krankheit immer offensichtlicher. Sie scheint im unteren Teil des Rückens Schmerzen zu haben, so vorsichtig wie sie sich bewegt und auf Bäume klettert. Sie ist zudem schwach und hat keinen Appetit. Einmal bemerken wie auch die ungewöhnlich dunkle Färbung ihres Urins, als sie seitlich aus ihrem Tagesbett herausuriniert.

Wantendele weicht Chausiku für den Rest des Tages nicht von der Seite, während sie langsam südwärts ziehen, an den nördlichen Fuß der G ridge. Um 15.01 Uhr klettert Wantendele in einen Lwago Baum, um die Feigen zu fressen. Chausiku folgt ihr langsam und unter sichtlicher Anstrengung baut sie sich unterhalb von Wantendele erneut ein Tagesbett. Eine halbe Stunde später klettert Wantendele herunter und setzt sich auf den Boden. Chausiku hebt ihren Kopf, steigt langsam aus ihrem Bett, ein Stück den Baum hinunter, hält aber inne und baut sich ein neues Nest. Nach einigen Minuten des Zögerns klettert Wantendele zurück in den Baum und baut sich um 15.33 selbst ein Tagesbett und bleibt dort, bis Chausiku um 16.49 endlich nach einer erneuten langen Pause wieder aufsteht. 

Erneut brechen sie in südlicher Richtung auf. Chausiku folgt langsam, beginnt aber hinter den anderen zurückzubleiben. Nach mehreren Stops, einem Schluck Wasser und einigen Itungulu Stücken, holt Chausiku die anderen um 17.29 Uhr wieder ein. Wantendele, Maggy und Masudi sind schon in ihre Schlafbäume geklettert, Chopin sitzt wartend auf dem Boden bis seine Mutter kommt. In einer letzten Anstrengung vor dem Schlafengehen, um 17.44 Uhr, versucht Chausiku mehrere Male zu kacken, scheint aber dabei Schmerzen zu haben. Schließlich klettert sie einen Baum hinauf und baut langsam ihr für den heutigen Tag letztes Nest. Chopin klettert in dem Baum hoch hinauf und erkundet ihn selbständig. Wir bleiben bei ihnen bis gegen 18.00 Uhr, eilen dann zurück ins Camp bevor es dunkel wird. 

Heute haben wir bei mehreren Gelegenheiten den Eindruck bekommen Wantendele habe ihre Aktivitäten so koordiniert, daß es ihr möglich war, Chausiku im Auge zu behalten. Die Hauptgruppe war gelegentlich in Hördistanz und vielleicht nur einen Kilometer von uns entfernt. Nichtsdestoweniger machte Wantendele keinerlei Anstalten, ihre Freundin zu verlassen, um sich ihr anzuschließen. 

Zurück im Camp wurde unsere Geschichte sowohl mit Aufregung wie auch Ungläubigkeit von manchen der älteren Mitglieder unserer Forschergruppe aufgenommen. Natürlich hatten sie schon Schimpansen dabei beobachtet, wie sie diese Pflanze gefressen haben, lateinisch Vernonia amygdalina genannt, hatten aber weder ihren Verzehr mit Krankheit in Verbindung gebracht noch waren sie sich des Gebrauchs als Medizinalpflanze durch die Watongwe bewußt. 

Ihre Skepsis spornte mich noch mehr an, diese Sache bis zu ihrem Ende zu verfolgen. Die Ereignisse des Tages stürmen ein letztes Mal durch meinen Kopf als ich kurz vor dem Einschlafen bin. Der einsame Ruf eines Buschbabies erinnerte mich jedoch daran, daß der Wald nie schläft. 

Am nächsten Tag hören wir zwischen sieben und acht Uhr morgens die pant hoots von drei oder vier Individuen südöstlich vom Camp, aber Mohamedi und ich wandern nordwärts. Um 9.07 Uhr treffen wir auf die erste Gruppe von 11 Schimpansen. Zu unserer Freude sind Chausiku und Wantendele bei ihnen, nur 60 Meter vom Schlafplatz der letzten Nacht entfernt. Außer Chausiku, Watendele und ihren Nachkommen ist bei dieser Gruppe das hochrangige Männchen Kalunde, das junge Männchen Jilba, ein erst kürzlich eingewandertes erwachsenes Weibchen im Östrus - Patty, und ein erwachsenes Weibchen, Gwekulo. 
Heute scheint es Gwekulos Aufgabe zu sein, auf Chopin aufzupassen. Es passiert nicht zum ersten Mal, daß Gwekulo sich um Chausikus Kinder kümmert, wenn diese krank sind. 
Wenn junge Weibchen mit einer Mutter und ihrem Kind zusammen umherziehen und für das Kind als Spielkamerad und die Mutter als Weggefährte dienen bezeichnet man dies als eine Babysitter-Beziehung. Wenn diese jungen Weibchen jedoch selbst in Östrus kommen, dann ziehen sie gewöhnlich in Gruppen, zu denen auch Männchen zählen. Gwekulo hat nie das Glück gehabt eigene Kinder großzuziehen und so wandert sie auch heute noch oft mit anderen Weibchen und deren Kindern umher. 
Während Chausiku sich abseits der Gruppe niederlegt, sitzt Gwekulo nahe bei Chopin und beobachtet seine Rangeleien mit Ashula und Masudi. Um 9.59 Uhr zieht die Gruppe südwärts. Chopin folgt hinter Patty. Chausiku versucht der Gruppe langsam zu folgen aber nach knapp einer Minute ist sie von Chopin und dem Rest der Gruppe für die nächsten 38 Minuten getrennt. Sie erscheint immer noch recht schwach, hält oft inne um sich hinzusetzen und auszuruhen. Um 10.42 beobachten wir, wie sie zum ersten Mal an diesem Tag etwas zu sich nimmt. Chopin zieht nun wieder gemeinsam mit seiner Mutter und zwischen 11.03 und 11.31 folgen sie langsam hinter der Gruppe, fressen kleine Mengen von Kasoloyo-Feigen und Lulumasia. 

Chausiku holt den Rest der Gruppe ein und sie halten alle ihr gewöhnliches Mittagsschläfchen. Nach einem 72 minütigem Schlaf, wird die stille nachmittägliche Ruhe unterbrochen, als ob mitten in der Nacht ein Feueralarm schrillt, alle wachen auf und in einem Wirrwarr aus pant-hoots und schrillen Schreien ziehen sie weiter südwärts. Als wir merken, daß wir kaum mit Chausiku mithalten könne, wissen wir, das ihr besser geht. Sie pausiert gelegentlich, diesmal hinter sich schauend, um zu sehen ob die anderen mitkommen. Chausiku erscheint gereizt und abgelenkt, schlägt auf den Boden und äußert laut ihren Unwillen, wenn Chopin sich weigert dicht aufzufolgen. Gwekulo bleibt zurück und wartet auf Chopin, während Chausiku weiter voranmarschiert. 

Endlich um 13.51 kommen sie alle in einem sumpfigen Grasland an mit drei bis vier Meter hohem Elefantengras. Bis zum Ende unserer Beobachtungen um 16.05, ißt Chausiku stetig, verspeist die saftigen Markstücke von Iswe und Itungulu, sowie die süßen roten Feigen von Kankolonkombe und die gelben Früchte der Ilombo. Was Mohamedi und ich während der letzten zwei Tage beobachtet haben, war der Beginn einer Studie, die sich über die letzten 10 Jahre fortgesetzt hat, und sicher auch noch weitere 10 Jahre andauern wird. Seit dieser Zeit haben wir andere offensichtlich kranke Schimpansen dabei beobachtet, wie sie das bittere Mark von Mjonso gefressen haben und wir haben auch andere Pflanzen, wie Aspilia entdeckt, die von den Schimpansen als Medizin benutzt werden. 


Mohamedi, Huffman and Luhembe Ishamili at Kansyana camp (December 1995).

 


Mohamedi holding a section of
the root of 'mulengelele'
    
Methanol extract of 'mulengelele'



(Mahale- Begegnung mit Schimpanzen, Angelika Hofer, Michael A. Huffman, Gunter Ziesler. PAN Edition im Verlag Navalon, 1998)